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Das Dashain Fest

Zu Vollmond im Oktober endet das größte Fest Indiens und Nepals, welches in der familiären Bedeutung unserem Weinachten vergleichbar ist.

Es erstreckt sich über mehrere Wochen und beginnt mit der spirituellen Pflege der Verstorbenen.
Lord Vishnu und Lord Buddha (bei den Hindus als Emanation Vishnus verehrt) sind die geeigneten Gottheiten für das Wohlergehen der Ahnen, denn beide sind milde und befriedend.
So war bei der ersten Reise Anfang Oktober am Mahabodhi Tempel und am Bodhi Baum, (jener Baum, unter dem Buddha Erleuchtung fand), ein nicht endender Pilgerstrom von z.T. kahlgeschorenen Hindus. Eigentlich ist dieser Ort von buddhistischen Pilgern meist aus der asiatischen Welt überspült, aber nun standen die Bramahnen Schlange um in Ihren aus Blättern geformten Opferschalen Reis, das rote Sindura Puder, Blüten, Wasser und Reissprossen Gras zu opfern. Bei den vedischen Brahmanen sind Opferrituale immer noch der unmittelbarste Zugang zu den Göttern. Buddha sah das zwar anders, aber nun denn, Opfergaben gehören einfach dazu.
Jeder Tag in dieser Phase gilt einem anderen Verstorbenen in der Familie für dessen Wohlergehen gebetet wird.

Nach dieser Zeit wird über 9 Tage täglich ein anderer Tempel des weiblichen Pantheons besucht. Parvati, (Shivas Gemahlin), Sita, Radha, Lakshmi, Sarsvati, Kali und zum Schluß die machtvolle Mutter aller Göttinnen, die auf dem Tiger reitende mehrarmige Durga, die alle Dämonen überwindet.

In Nepal ist dazu das Blutopfer sehr beliebt und vor dem Schrein werden männliche schwarze Ziegen und Hähne geschlachtet. Der berühmte Dashinkali Tempel der außerhalb Kathmandus in einem bewaldeten Tal liegt verwandelt sich an diesen Tagen in eine archaische, martialische Kultstätte da bereits um 5 Uhr morgens lange Schlangen von Nepalis mit Ihren Ziegen und Hähnen unterm Arm am Schrein vorbeiziehen um mit Frischfleisch fürs Fest fortzugehen.
So werden in dieser Phase die Opfergaben von Tempel zu Tempel getragen und von den Göttinnen gesegnet, landen sie wieder in der Opferschale. Nach dem Schlachtfest das in den Dörfern wo es nicht so viele Tempel gibt an allen wichtigen Stellen für lokale Gottheiten oder den Göttern animistischer Tradition wie Bimsen dargebracht wird ist es gleichzeitig die Haupt Fleisch Ernte des Jahres, das direkt danach getrocknet, gegessen oder eingefroren wird. Nach dem Schlachtfest für die machtvolle Durga kommt die Tikka Phase. Jetzt wird der an den Tempeln geweihte Reis, Reissprossen und ein Blümchen als Segen von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben, indem der Reis mit Segenswünschen auf die Stirn gedrückt und das Gras hinters Ohr gesteckt wird. Dies ist einer der wichtigsten Tage im Jahr in Indien und Nepal. Bis zum Vollmond dauert diese Tikka Phase ca. 6 Tage und alle sind unterwegs und reisen nach Hause in die Dörfer zu den Vätern, Onkeln und Brüdern um sich die Tikka abzuholen, Roxie zu trinken, Fleisch zu essen, erzählen und zusammen sein.
Das Fest endet zu Vollmond und vor den Haustüren liegen die Opfergabenschalen kopfüber auf dem Pflaster.


In 14 Tagen zu Neumond geht es mit Dewali, dem Lichterfest weiter. Es werden Mandalas vor den Eingängen gestreut und von dort eine Lehmspur ins Haus gezogen die mit Öllichtern erstrahlt. Damit wird die Göttin Lakshmi eingeladen im Haus zu wohnen, Sie bringt Glück und Wohlstand. Am ersten Tag werden die Krähen verehrt, danach die Hunde, dann die Kühe und am letzten Tag die Freunde, Schwestern und Brüder. Dewali ist leicht und fröhlich, Städte, Dörfer und Häuser erstrahlen in einem Lichtermeer, die Strassenhunde und Kühe sind mit Blumenkränzen und Farbe geschmückt, meine beiden kauen auf einem dicken Büffelknochen. Überall sind Umzüge mit Musik und Tanzgruppen. Bis tief in die Nacht wird gefeiert, gegessen, geschwatzt. Statt Reis gibt es frittierte Teigkringel wie Berliner und wie immer Roxie und Maschu (Fleisch).
Heute morgen am letzten Tag als ich mit dem Gartenschlauch den Hundehof reinigen wollte fragte eine Nachbarin über die Mauer nach Wasser. Sie stand mit einem Eimer dort. Ich hielt den Schlauch über die Mauer und plötzlich kamen aus allen Türen die ganze Nachbarschaft mit Eimern, Kanistern und Tonnen. Ich war erschrocken über diesen Mangel, wie kostbar doch Wasser ist.!!

Nun bin ich nach drei Tagen auf das beste durchgefeiert. Jetzt beginnt der Winter und ich schreibe dies abends in meinem Zimmer in der Daunenjacke während tagsüber die Sonne wieder alles erwärmt.

Schamanismus im Tamang Dorf

Da während des Dashain Festes Kathmandu leer gefegt und alle Läden geschlossen sind, fahre ich mit Pratab nach Hause in sein Dorf. Die Kaste der Tamang (die die mit den Pferden von oben kamen) ist „remoted“, inm Dorf arm an geld und wenig Schulbildung, kaum englisch.
Mit dem alten Stadtmoped geht es Offroad. Mir tut heute noch der Po weh, das Moped ist wahrlich nicht für diese ausgewaschenen tief gefurchten, von Felsblöcken durchzogenen Bergwege geeignet. Oft steige ich ab und laufe ein Stück weil die Kiste mit zwei Leuten den Hang nicht rauf oder runter kommt, zu steil und unwegsam ist das Gelände. Nachts angekommen beginnen die Besuche. Die Dörfer sind Clans alle miteinander verwandt oder befreundet bindet die Dorfgemeinschaft und hält zusammen. Wir betreten das Haus einer Cousine oder so. In der Mitte des Raumes zwei Körbe voll Fleisch von dem gerade geopferten Wasserbüffel die ca. eine Tonne schwer werden. Es wird von Mutter und Tochter über scharfen Sicheln in schmalle Streifen geschnitten. Filetieren kennen Sie hier nicht, eine Unart der Fleisch Zubereitung in der nepalischen Küche ist das alles mit in den Topf kommt. Es wird das ganze Tier in Streifen und Stücke zerlegt. Das getrocknete Fleisch bildet den Winter Vorrat oder wird zum Fest in kleinen Stücken scharf gebraten. Haut, Sehnen, Fett und Fleisch, alles zusammen.

Die Häuser des Dorfes liegen im Hang eingebettet in Felder, Gärten und Baumwiesen, das Wasser kommt aus einem Schlauch drei mal täglich sprudelnd frisch. Eimer und Töpfe fangen es auf. Fortschrittlich wer ein Toiletten Häuschen bestizt, daher steht über „unserem“ Welcome to Toilet 2006. Felsige Fußpfaden verbinden die Höfe untereinander.
Sie schlängeln sich zwischen Parzellen von Reis, Kartoffel, Mais, hindurch, es wachsen verschiedenste Obstbäume, Kürbisse, Auberginen und Blattgemüse wie Spinat, „Saag“ genannt. Die Häuser sind zweigeschossig, aus warmen Lehm mit Holz und Ziegeldächern. In jeder Etage steht ein Holzgestell mit einer dünnen Baumwollmatte, das Bett. Alles weitere Mobiliär sind Strohmatten zum sitzen. Bei Wohlstand in der Ecke ein TV und DVD Player mit wenigen, handgedrehten brutalen Laienfilmen.
Tiere leben in der Familie, nachts in einer Ecke des Raumes die Ziegen, darüber auf einem Brett die Hühner, Wasserbüffel im Hof. Die Maisernte war schon eingefahren und der erste Stock birgt den Wintervorrat. Dort teile ich mir das harte Holzbett mit der Cousine.
Zu Dashain besuchten die Jüngeren die Älteren um sich die Tikka zu holen. Da alles sehr schlicht ist besteht das dreitägige Festmahl aus dem immer gleichen Essen: Reisflocken, kleine Stücke hart gebratenes Fleisch und Roxie, selbstgebrauter Schnaps.
Pratabs Eltern sind schon lange tot, ein Bruder seines Vaters ist der nächste und geliebte Onkel. Dieser hat einen Sohn und eine Tochter welche unverheiratet bleib um für den Vater zu sorgen. Der Sohn ist mit einer Schamanin verheiratet Sie haben drei Kinder, von denen zwei ebenfalls beim alten Onkel wohnen und die staatliche Schule besuchen deren Qualität im Dorf nicht so hoch ist.
Alles hier ist schlicht, ehrlich, natürlich und gesund.

Puja’s, die täglichen Rituale und Zeremonien werden morgens abgehalten wie meistens in Nepal, dann wenn wir noch rein sind, nüchtern. Für die Rituale wird der Platz markiert auf dem die Gaben stehen. Mit Kuhdung wird ein Kreis auf dem Lehmboden gezirkelt, dort steht der Blätterteller mit Licht, Reis, Blumen und rotem Sindura Pulver.
Die Schamanin schüttelt sich in Trance, während Sie die Götter anruft.
Mit einem „Atschu, Atschu“ als würde Sie niesen bekräftigt Sie Ihren Ruf. Die kleine starke hübsche üppige Frau bebt, geht gelegentlich in eine Drehhaltung und rezitiert weiter. Meine Fotos von diesem ehrwürdigen Moment zeigen etwas erstaunliches: Lichtbälle, Orbs genannt formieren sich dort wo die spirituelle Energie sehr hoch ist, es sind Manifestationen göttlicher Energie, erscheinen und verschwinden blitzschnell, wer hellsichtig ist oder mit dem dritten Auge sieht kann Sie sehen. (meine Lumix scheint diese Qualität zu haben).
So kraftvoll, üppig und heilig diese Zeremonien sind läuft dennoch in der Ecke der DVD Player mit einem Film wo sich alle umbringen und wenn zwischendrin ein Handy klingelt wird einfach telefoniert, eine Unart die kommt weil diese Medien noch recht neu sind und die Rituale so zum normalen Leben gehören das sich keiner gestört fühlt.

Zugfahren in Indien

Und während ich dies schreibe liege ich in der obersten Etage des drei stöckigen Liegewagen Abteils im Nachtzug von Delhi nach Bodh Gaya mit der nächsten kleinen Gruppe.
Es wird immer schwieriger Tickets für die Züge zu bekommen da 1,2 Milliarden Inder auf Reise gehen und die Züge chronisch überfüllt sind.
Die Abteile sind mit blauen Vorhängen vom Gang getrennt der Propeller verwirbelt staubige Luft. Es kommen und gehen Verkäufern für Tee, Suppe, Kekse und Zeitungen, zwei Männer von der Indischen Armee sind nach 5 Monaten Einsatz im Grenzgebiet von Kaschmir zu Pakistan auf Heimaturlaub. In 2 großen Koffern nehmen sie Äpfel mit nach Hause die im frischen Höhenklima von Kashmir wachsen und herrlich schmecken. Das Obst und Gemüse das in Indien und Nepal auf den Dörfern wächst ist in den Familien sehr begehrt und auf den Märkten nicht zu finden. Ebenmäßig rattert der Zug über die Gleise, in den Dörfern ist am Bahnhof Zeit sich mit Gurken oder Kokosstücken zu erfrischen. Die Inder drängeln ohne Rücksicht, die Bahnhöfe sind voll, es stinkt nach Kloake da viele Menschen viel pissen und ungelöschter Kalk liegt wie Puderzucker auf den Gleisen und in den Ecken um die Gerüche zu binden. Der Boden ist von dort wohnenden oder wartenden Menschen besiedelt, die klein, zart, und dunkel zwischen Taschen, Tüchern und Decken weilen. Ich erinnere einen frühen Morgen an dem ich auf einem Bahnsteig wartete, als sich plötzlich im Dämmerlicht aus grauen Decken vom Boden aufsteigend sich ein grauer Armstumpf zum betteln mir entgegen streckte.
Manchmal weiß ich nicht ob die Wesen unter den Decken noch leben oder nicht. Ratten huschen vorüber, Indien hat so viele Gesichter, die Bahnhöfe sind eines davon.

Mit dem Dampfstrahler werden in Moughalserai die Toiletten gespült, der Müll einfach auf die Gleise Türe gefegt.
Schmale Hunde stöbern Ihn auf.
Die Züge sind pünktlicher als die Deutsche Bundesbahn.
Beim Ausstieg umringen uns Träger in roten Hemden. Sie wickeln ihre Tücher zu Ringen auf den Kopf um darauf zwei schwere Koffer zu stapeln und wie immer will jeder dieser dünnen Männer den Job haben.
Auf dem Parkplatz wo der Bus auf uns wartet verlangt der Parkwächter zu hohe Gebühren. Unser Fahrer will sich weigern zu zahlen, der Wächter notiert seine Nummer, der Fahrer zahlt.-Indien eben.-
Ich erinnere eine Situation aus meinen Anfängen in der unser Lokal Guide meinte ich müsse noch 1000 Rupien beim Bahnhofsvorsteher bezahlen um die Plätze bestätigt zu bekommen (Neue Wege arbeitet nicht mehr mit dieser Agentur zusammen).
Ich ging in die große Office Hall und fand 20 fette Bethel kauende hennagefärbte Männer vor schweren Büchern mit endlosen Listen sitzen. Einer davon nahm wiederwärtig das Geld entgegen, würdigte mich als Kastenlose keines Blickes, ließ es in seine Tasche gleiten und winkte mich ab. Die Liegen waren bestätigt.
Dennoch sind die Liegen manchmal auf der oberen Etage und unten hat sich eine indische Familie eingenistet, man kommt sich nahe. Ich verkrieche mich meist nach oben, wickele mich in meine eigenen Decken und lasse mich von dem ebenmäßigen Geruckel in einen tiefen erholsamen Schlaf schaukeln.

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